Neues Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sein Schreiben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den aktuellen Stand gebracht und die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie die Gesetzesänderungen durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz und das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) eingearbeitet.

Noch nicht berücksichtigt ist die jüngste Änderung durch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022). Danach ist der Entlastungsbetrag ab dem Veranlagungszeitraum 2023 auf 4.260 € angehoben worden. Für jedes weitere Kind erhöht er sich - wie bisher - um jährlich 240 €.

Das aktuelle Schreiben ersetzt das Anwendungsschreiben aus 2017 und ist in Bezug auf die Änderungen durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz und das JStG 2020 für Veranlagungszeiträume ab 2020, im Übrigen in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

I. Allgemeines

Alleinerziehende Steuerpflichtige haben gemäß § 24b EStG Anspruch auf einen Entlastungsbetrag. Ziel des Entlastungsbetrags ist es, die höheren Kosten für die eigene Lebens- bzw. Haushaltsführung der Alleinerziehenden abzugelten, die einen gemeinsamen Haushalt nur mit ihren Kindern und keiner anderen erwachsenen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zum Haushalt beiträgt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2020 beträgt der Entlastungsbetrag jährlich 4.008 € und erhöht sich für jedes weitere Kind um jährlich 240 €.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird außerhalb des Familienleistungsausgleichs bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte durch Abzug von der Summe der Einkünfte und beim Lohnsteuerabzug durch die Steuerklasse II berücksichtigt.

II. Anspruchsvoraussetzungen

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird Steuerpflichtigen gewährt, die alleinstehend sind und zu deren Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht.

1.) Alleinstehend

Alleinstehend in diesem Sinne ist ein Steuerpflichtiger, der nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Absatz 1 EStG) erfüllt oder verwitwet ist und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bildet. Eine Haushaltsgemeinschaft mit einem minderjährigen Kind ist stets unschädlich.

a) Kein Splitting-Verfahren

Als alleinstehend ist in der Regel nur ein Steuerpflichtiger anspruchsberechtigt, der nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens erfüllt. Ausnahmsweise kann ein Steuerpflichtiger, der als Ehegatte/Lebenspartner einzeln oder zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Trennung oder der Eheschließung/Verpartnerung zeitanteilig in Anspruch nehmen, sofern er die übrigen Voraussetzungen des § 24b EStG erfüllt. Das BMF akzeptiert insoweit die jüngste Rechtsprechung des BFH.

Alleinstehend kann daher ein Steuerpflichtiger sein,

  • dessen Ehegatte/Lebenspartner im Ausland lebt und nicht unbeschränkt ist.
  • der verwitwet ist oder
  • der im Veranlagungszeitraum eine Ehe/Lebenspartnerschaft schließt oder
  • der verheiratet/verpartnert ist, aber dauernd getrennt lebt oder
  • der nicht verheiratet/verpartnert ist oder

b) Keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person

Weitere Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bildet. Es ist allerdings unschädlich, wenn es sich bei der anderen volljährigen Person um ein leibliches Kind, Adoptiv-, Pflege-, Stief- oder Enkelkind handelt, für das dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht.

Eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person liegt vor, wenn der Steuerpflichtige und die andere Person in der gemeinsamen Wohnung gemeinsam wirtschaften. Ein gemeinsames Wirtschaften kann sowohl darin bestehen, dass die andere volljährige Person zu den Kosten des gemeinsamen Haushalts beiträgt, als auch in einer Entlastung durch tatsächliche Hilfe und Zusammenarbeit. Auf den Umfang der Hilfe oder des Anteils an den im Haushalt anfallenden Arbeiten kommt es in der Regel nicht an.

Ein gemeinsames Wirtschaften setzt nicht voraus, dass nur eine gemeinsame Kasse besteht und die zur Befriedigung jeglichen Lebensbedarfs dienenden Güter nur gemeinsam und aufgrund gemeinsamer Planung angeschafft werden. Es genügt eine mehr oder weniger enge Gemeinschaft mit nahem Beieinanderwohnen, bei der jedes Mitglied der Gemeinschaft tatsächlich oder finanziell seinen Beitrag zur Haushalts- bzw. Lebensführung leistet und an ihr teilnimmt (der gemeinsame Verbrauch der Lebensmittel oder Reinigungsmittel, die gemeinsame Nutzung des Kühlschrankes etc.). Auf die Zahlungswege kommt es nicht an. Es steht daher der Annahme einer Haushaltsgemeinschaft nicht entgegen, wenn z. B. eine Person die laufenden Kosten des Haushalts ohne Miete trägt und die andere Person dafür vereinbarungsgemäß die volle Miete bezahlt.

Es kommt auch nicht darauf an, dass der Steuerpflichtige und die andere Person in besonderer Weise materiell (Unterhaltsgewährung) und immateriell (Fürsorge und Betreuung) verbunden sind. Als Kriterien für eine Haushaltsgemeinschaft können auch der Zweck und die Dauer der Anwesenheit der anderen Person in der Wohnung des Steuerpflichtigen herangezogen werden. So liegt bei nur kurzfristiger Anwesenheit in der Wohnung, z. B. zu Besuchszwecken oder aus Krankheitsgründen eine Haushaltsgemeinschaft nicht vor. Andererseits bleibt eine Haushaltsgemeinschaft bestehen bei nur vorübergehender Abwesenheit von der Wohnung, z. B. wegen Krankenhausaufenthalt, Auslandsreise, Auslandsaufenthalt eines Montagearbeiters, doppelter Haushaltsführung aus beruflichen Gründen bei regelmäßiger Rückkehr in die gemeinsame Wohnung. Eine Haushaltsgemeinschaft liegt hingegen nicht mehr vor bei nicht nur vorübergehender Abwesenheit, z. B. wegen Strafvollzug, Meldung als vermisst, Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, Unterhaltung einer zweiten Wohnung aus privaten Gründen.

Eine Haushaltsgemeinschaft ist insbesondere gegeben bei

  • eheähnlichen Gemeinschaften,
  • bei Wohngemeinschaften unter gemeinsamer Wirtschaftsführung mit einer sonstigen volljährigen Person, z. B.
    • einem Studierenden,
    • mit volljährigen Kindern, für die dem Steuerpflichtigen weder ein Kinderfreibetrag noch Kindergeld zusteht,
    • mit anderen Verwandten, oder
  • bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten/Lebenspartnern, wenn keine Ehegatten-/Lebenspartnerbesteuerung in Betracht kommt, z. B. deutsche Ehegatten/Lebenspartner von Angehörigen der NATO-Streitkräfte.

Eheähnliche Gemeinschaften - im Sinne einer auf Dauer angelegten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - können anhand der folgenden, aus dem Sozialrecht abgeleiteten Indizien festgestellt werden:

  • Dauer des Zusammenlebens (z. B. von länger als einem Jahr),
  • Versorgung gemeinsamer Kinder im selben Haushalt,
  • Versorgung anderer Angehöriger im selben Haushalt,
  • von beiden Partnern unterschriebener und auf Dauer angelegter Mietvertrag,
  • gemeinsame Kontoführung,
  • andere Verfügungsbefugnisse über Einkommen und Vermögen des Partners oder
  • andere gemeinsame Verträge, z. B. über Unterhaltspflichten.

Beantragt ein Steuerpflichtiger den Abzug von Unterhaltsleistungen an die andere volljährige Person als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Absatz 1 Satz 3 EStG, ist in der Regel vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen.

Mit einer sonstigen volljährigen Person besteht keine Haushaltsgemeinschaft, wenn sie sich tatsächlich und finanziell nicht an der Haushaltsführung beteiligt. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn diese einen vollständig getrennten Haushalt führt oder wenn - z. B. beim Zusammenleben mit einkommenslosen pflegebedürftigen Angehörigen - jedwede Unterstützungsleistung durch die andere Person ausgeschlossen erscheint. So fehlt die Fähigkeit, sich tatsächlich an der Haushaltsführung zu beteiligen, bei Personen, bei denen ein Pflegegrade 1 bis 5 besteht, die blind oder hilflos sind.

Tipp: Die Fähigkeit, sich finanziell an der Haushaltsführung zu beteiligen, fehlt bei einer Person, die kein oder nur geringes Vermögen besitzt und deren Einkünfte und Bezüge den Unterhaltshöchstbetrag (§ 33a Absatz 1 Satz 1 EStG) nicht übersteigen.

c) Gesetzliche Vermutung einer Haushaltsgemeinschaft

Die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft setzt nicht die Meldung der anderen Person in der Wohnung des Steuerpflichtigen voraus. Neben der gesetzlichen Definition der Haushaltsgemeinschaft besteht auch die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft, wenn eine andere volljährige Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet ist. Eine nachträgliche Ab- bzw. Ummeldung ist insoweit unerheblich.

Tipp: Die Vermutung ist widerlegbar. Sie ist widerlegt, wenn die Gemeinde oder das Finanzamt positive Kenntnis davon haben, dass die tatsächlichen Verhältnisse von den melderechtlichen Verhältnissen zugunsten des Steuerpflichtigen abweichen. Der Steuerpflichtige kann die Vermutung der Haushaltsgemeinschaft mit einer in seiner Wohnung gemeldeten anderen volljährigen Person widerlegen, wenn er glaubhaft darlegt, dass eine Haushaltsgemeinschaft mit der anderen Person nicht vorliegt.

Leben der Steuerpflichtige und die andere volljährige Person in einer eheähnlichen Gemeinschaft, ist die Vermutung, dass eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt, allerdings unwiderlegbar.

2.) Haushaltszugehörigkeit eines Kindes

Weitere Anspruchsvoraussetzung ist, dass ein Kind, für das dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld zusteht, zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört. Ein Kind gehört zum Haushalt des Steuerpflichtigen, wenn es in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet, dauerhaft in dessen Wohnung lebt oder mit seiner Einwilligung vorübergehend, z. B. zu Ausbildungszwecken, auswärtig untergebracht ist.

Haushaltszugehörigkeit erfordert außerdem eine Verantwortung für das materielle (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterielle Wohl (Fürsorge, Betreuung) des Kindes. Eine Heimunterbringung ist unschädlich, wenn die Wohnverhältnisse in der Familienwohnung die speziellen Bedürfnisse des Kindes berücksichtigen und es sich im Haushalt des Steuerpflichtigen regelmäßig aufhält. Die Haushaltszugehörigkeit ist selbst dann anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet ist, aber tatsächlich in einer eigenen Wohnung lebt. Diese Vermutung ist unwiderlegbar. Ist das Kind hingegen nicht in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet, trägt der Steuerpflichtige die Beweislast für das Vorliegen der Haushaltszugehörigkeit. Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet oder gehört es unstreitig zum Haushalt des Steuerpflichtigen, ohne bei ihm gemeldet zu sein, steht der Entlastungsbetrag demjenigen Alleinstehenden zu, der das Kind tatsächlich in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Ist ein Kind annähernd gleichwertig in die beiden Haushalte seiner alleinstehenden Eltern aufgenommen, können die Eltern - unabhängig davon, an welchen Berechtigten das Kindergeld ausgezahlt wird - untereinander bestimmen, wem der Entlastungsbetrag zustehen soll, es sei denn, einer der Berechtigten hat bei seiner Veranlagung oder durch Berücksichtigung der Steuerklasse II beim Lohnsteuerabzug den Entlastungsbetrag bereits in Anspruch genommen. Treffen die Eltern keine Bestimmung über die Zuordnung des Entlastungsbetrags, steht er demjenigen zu, an den das Kindergeld ausgezahlt wird.

Tipp: Ist das Kind in den Wohnungen beider Elternteile gemeldet und ist nur ein Elternteil alleinstehend, ist diesem Elternteil der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende unabhängig davon zu gewähren, ob dieser die Voraussetzungen für die Auszahlung des Kindergeldes erfüllt oder erfüllen würde.

3.) Identifizierung eines Kindes

Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kindes ist gemäß § 24b Absatz 1 Satz 4 EStG die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer.

III. Jahresbetrag, zeitanteilige Gewährung

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende von 4.008 € erhöht sich um jeweils 240 € für jedes weitere zum Haushalt gehörende Kind. Er ist ein Jahresbetrag, der in jedem Veranlagungszeitraum insgesamt nur einmal in Anspruch genommen werden kann. Eine Aufteilung zwischen den Haushalten alleinerziehender Elternteile ist nicht möglich.

Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrages dem Grunde nach nicht vorgelegen haben, ermäßigt sich der Betrag zeitanteilig um ein Zwölftel.

Der Steuerpflichtige kann den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Eheschließung/Verpartnerung zeitanteilig in Anspruch nehmen, sofern er die übrigen Voraussetzungen des § 24b EStG erfüllt, insbesondere nicht bereits in einer Haushaltsgemeinschaft mit dem späteren Ehegatten gelebt hat.

Ein verwitweter Steuerpflichtiger kann nach § 24b Absatz 4 EStG den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erstmals zeitanteilig für den Monat des Todes des Ehegatten oder Lebenspartners beanspruchen.

Im Fall des Zusammenlebens mit einer anderen volljährigen Person ist der Entlastungsbetrag zeitanteilig für volle Kalendermonate zu kürzen, in denen eine Haushaltsgemeinschaft mit der anderen volljährigen Person besteht.

Stand: 07.01.2023