Mehr Zeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts bei der Umstellung auf die neue Umsatzbesteuerung

Eigentlich war vorgesehen, dass § 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) spätestens ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden ist. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 ist die Regelung, die eine Option für das alte Umsatzsteuerrecht ermöglicht, jedoch nochmals um zwei weitere Jahre verlängert worden. Städte und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts haben damit die Möglichkeit, den Startzeitpunkt bis zum 1. Januar 2025 zu verschieben. Die Kommunen stehen vor der Wahl, ab wann sie das neue Recht anwenden möchten.

Der neue § 2b UStG führt für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Paradigmenwechsel. Während juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der alten Rechtslage nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig waren, unterfallen nach der Neuregelung im Grundsatz alle Umsätze der Umsatzbesteuerung, mit Ausnahme von bestimmten hoheitlichen Tätigkeiten.

Tipp: Juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Das gilt allerdings nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen insbesondere nicht vor, wenn

  • der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17 500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder
  • vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht einer Steuerbefreiung unterliegen.

Hintergrund: Durch Artikel 12 des Steueränderungsgesetzes 2015 wurden die bisherigen Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts neu gefasst. Der neu eingeführte § 2b UStG trat am 1. Januar 2016 in Kraft und ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2016 ausgeführt werden. Es wurde eine optionale Übergangsregelung geschaffen, nach der die bisherige Umsatzbesteuerung nach § 2 Abs. 3 UStG in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung weiterhin möglich ist. Die Optionsmöglichkeit wurde zunächst mit dem Corona-Steuerhilfegesetzbis zum 31. Dezember 2022 verlängert. Jetzt ist eine weitere Verlängerung um zwei Jahre gesetzlich geregelt worden

Die Finanzverwaltung hat zwischenzeitlich auch einige wichtige Zweifelsfragen geklärt.

Besteuerung von in Kindertageseinrichtungen und Schulen erzielten Umsätzen

In Schulen bzw. Kindertageseinrichtungen werden durch Elternbeiräte, Schülermitverwaltungen, Schulfirmen, Schülerfirmen und Fördervereine vielfältige Umsätze erzielt. Da die Umsätze regelmäßig auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden, ist von entscheidender Bedeutung, ob die Einrichtung nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig wird. Bei Anwendung des § 2b UStG spielt es dabei keine Rolle mehr, ob die Voraussetzungen eines Betriebs gewerblicher Art erfüllt sind.

Tipp: Die Kleinunternehmerregelung kann in Anspruch genommen werden, wenn der Gesamtumsatz des Trägers die Umsatzgrenzen des § 19 UStG unterschreitet.

  • Elternbeiräte

Die Umsätze eines Elternbeirats sind regelmäßig dem jeweiligen Sachaufwandsträger zuzurechnen. Sie unterliegen der Umsatzsteuer, sofern und soweit der Elternbeirat nachhaltig tätig wird. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. Die für und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale müssen gegeneinander abgewogen werden.

Als Kriterien für die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit kommen insbesondere in Betracht:

  • mehrjährige Tätigkeit
  • planmäßiges Handeln
  • auf Wiederholung angelegte Tätigkeit
  • die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes
  • Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses
  • langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis
  • Intensität des Tätigwerdens
  • Beteiligung am Markt
  • Auftreten wie ein Händler
  • Unterhalten eines Geschäftslokals
  • Auftreten nach außen, z. B. gegenüber Behörden.

Eine nachhaltige Tätigkeit ist mangels Beteiligung am Markt regelmäßig nicht anzunehmen, sofern sich im Rahmen einer Festlichkeit bzw. Aktivität der Teilnehmerkreis bzw. die Zielgruppe üblicherweise auf die „Mitglieder“ der jeweiligen Einrichtung beschränkt.

  • Schulfirmen/Schulprojekte

Schulfirmen bzw. Schulprojekte sind Übungsfirmen und Tätigkeiten von Schülerinnen und Schülern z. B. im Rahmen des fachlichen Unterrichts. Produkte und Dienstleistungen, die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des fachlichen Unterrichts herstellen bzw. erbringen, sind essentieller Bestandteil ihrer Ausbildung an sich. Ihre Herstellung bzw. Erbringung erfolgt auf Veranlassung und in Verantwortung der Schule und nicht „unter dem Dach“ einer ggf. selbstständigen Schülerfirma. Der pädagogische Aspekt steht dabei im Mittelpunkt.

Im Regelfall führt die Ausführung dieser Umsätze zu einer steuerbaren Tätigkeit. Abhängig von der Ausgestaltung des jeweiligen Einzelfalls können jedoch auch nicht steuerbare Innenumsätze oder hoheitliche Hilfsgeschäfte vorliegen.

  • Schülerfirmen

Bei einer Schülerfirma handelt es sich aufgrund ihrer pädagogischen Zielsetzung grundsätzlich um eine schulische Veranstaltung, in deren Rahmen Schülerinnen und Schüler Produkte herstellen und an Dritte verkaufen bzw. Dienstleistungen anbieten.

Bei dem Zusammenschluss der Schüler handelt es sich regelmäßig um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Kennzeichen der GbR ist, dass die Gesellschaft aus geschlossenen Verträgen als solche berechtigt und verpflichtet wird.

Schülerfirmen sind somit ein eigenständiger Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes.

  • Fördervereine

Fördervereine sind eigenständige Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes.

Gestellung von Personal

Bei der Umsatzsteuer gilt, dass für die Frage der Steuerbarkeit einer Leistung allein auf deren objektiven Inhalt abzustellen ist. Die Beweggründe des staatlichen Handelns, seine entsprechende Zielrichtung und die mit der Leistung angestrebten Zwecke sind für die Prüfung der Steuerbarkeit regelmäßig nicht ausschlaggebend.

Die auf Dauer angelegte oder wiederholte Überlassung von Personal durch die öffentliche Hand gegen Kostenerstattung oder anderes Entgelt erfüllt daher als nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gewöhnlich alle Merkmale des allgemeinen Unternehmerbegriffs. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personalüberlassung im Wege der Amtshilfe, Zuweisung, Abordnung oder in sonstiger Weise erfolgt. Eine Ausnahme gilt lediglich für bestimmte Personalbeistellungen, die keinen Leistungscharakter haben.

Wird eine unternehmerische Personalüberlassung auf privatrechtlicher Grundlage ausgeführt, unterliegt sie der Umsatzsteuer, ohne dass es dafür weiterer Voraussetzungen bedarf. Eine Steuerbefreiung kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, z. B. unter bestimmten Voraussetzungen bei der Überlassung von

  • Ärzten und medizinischem Hilfspersonal als eng verbundener Umsatz,
  • Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen oder
  • land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräften und Betriebshelfern.

Kann eine Tätigkeit ohne Unterschied auch von am Markt verfügbaren Verwaltungsexperten ausgeübt werden, wie sie auch Zeitarbeitsfirmen anbieten, wird häufig eine steuerschädliche Wettbewerbssituation bestehen.

Anwendungsfragen im Zusammenhang mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen

Kommunale, kirchliche und andere öffentlich-rechtliche Friedhofsträger erbringen auf ihren Friedhöfen eine Vielzahl von Leistungen, z. B.

  • die Einräumung von Grabnutzungs- und Liegerechten
  • die eigentliche Bestattung (Ausheben und Verfüllen des Grabes sowie das Auskleiden des Grabes mit Matten)
  • das Umbetten und Abräumen von Gräbern
  • die Aufbewahrung von Leichen in Kühlräumen/Kühlzellen
  • die Benutzung von Feierhallen, Friedhofskapellen und Abschiedsräumen sowie
  • die Grabpflege.

Diese Leistungen werden durchweg gegen Entgelt (i. d. R. Gebühren) im Leistungsaustausch erbracht und erfüllen damit seit jeher den allgemeinen Unternehmerbegriff. Unter der Rechtslage des § 2 Abs. 3 UStG fällt jedoch regelmäßig keine Umsatzsteuer an, weil das Bestattungswesen als Hoheitsaufgabe der öffentlichen Hand vorbehalten ist und deshalb keinen Betrieb gewerblicher Art begründet. Hiervon ausgenommen sind lediglich die Blumenverkäufe und Grabpflegeleistungen durch die Friedhofsträger. Diese Leistungen stellen wirtschaftliche Tätigkeiten dar und unterliegen der Umsatzsteuer.

Übertragung eines Bauhofs mit befreiender Wirkung auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts

Hinsichtlich der Übertragung eines kommunalen Bauhofs mit befreiender Wirkung auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts können nach Auffassung der Finanzverwaltung größere Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen werden, wenn nach dem Kommunalrecht eine umfassende Übertragung der Aufgaben eines kommunalen Bauhofs (oder vergleichbarer Einrichtungen) auf einen Privaten mit befreiender Wirkung ausgeschlossen ist und Private in dem entsprechenden Bereich durch Auftragsvergaben einer Kommune nur einzelne, ausgewählte Leistungen auf vertraglicher Grundlage, nicht aber das „Gesamtpaket“ der Aufgaben eines Bauhofs erbringen können.

In diesem Fall wäre nämlich die übertragende Kommune aus Rechtsgründen gehindert, ein (potentiell) konkurrierendes Angebot zur Generalübernahme der Bauhofaufgaben durch einen privaten Wettbewerber (z. B. ein größeres privates Bauunternehmen) anzunehmen. Die einzig mögliche Alternative der Aufsplittung der Tätigkeiten und Einzelvergabe kleinerer „Aufgabenpakete“ dürfte aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers ein klares aliud und nicht mit der angestrebten Komplettübertragung vergleichbar sein.

Sperrmüllentsorgung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger

Die Nichtbesteuerung von Leistungen öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Zusammenhang mit der Sperrmüllentsorgung führt aufgrund der Überlassungspflicht für Abfälle zur Beseitigung aus privaten Haushaltungen und anderen Herkunftsbereichen nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen.

Nutzung von Gemeinschaftsjagdrevieren durch Jagdgenossenschaften

Jagdgenossenschaften üben mit der Eigenbewirtschaftung bzw. der Verpachtung der Jagd eine nachhaltige, wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen selbständig aus und sind damit Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG.

Sie gelten sie nur dann nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Hierfür kommen nur solche Tätigkeiten in Betracht, bei denen sie auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung (z. B. Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen, Verwaltungsvereinbarungen, öffentlich-rechtliche Verträge oder kirchenrechtliche Rechtsetzungen) tätig werden.

Da die Eigenbewirtschaftung bzw. Verpachtung der Jagd auf der Grundlage privatrechtlicher Vereinbarungen erfolgen, liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung der Vorschrift des § 2b UStG nicht vor. Die Jagdgenossenschaften führen folglich mit ihren Tätigkeiten umsatzsteuerbare und steuerpflichtige Leistungen aus.

Stand: 18.12.2022